„Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben.“ ** – Petition gegen den Bluttest auf Down-Syndrom als Kassenleistung

Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen prüft aktuell, ob ein Bluttest auf Trisomie 21 (Down-Syndrom) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen und als Regelleistung der Krankenkassen bezahlt werden soll.

Bei dieser Untersuchung reicht eine Blutprobe der Schwangeren, um eine Trisomie 21 beim Embryo zu erkennen. Wird der Bluttest generell von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt, würde ein Test auf Down-Syndrom in der Schwangerschaft zur Regel.

Zehn Bundestagsabgeordnete aus den Fraktionen der Union, der FDP, der SPD, der Grünen und der Linken haben sich mit der Forderung zusammengeschlossen, eine ethische Grundsatzdiskussion über die Einführung des Bluttest als Kassenleistung im Bundestag zu führen.

Wir, zahlreiche glückliche Eltern von Kindern mit Trisomie 21, unterstützen und ergänzen diese Forderung.

Auf der Suche nach dem Down-Syndrom 

Es wird geschätzt, dass bereits heute in Deutschland 9 von 10 Kindern mit der Diagnose Trisomie 21 abgetrieben werden. Projektionen aus England zeigen, dass eine Übernahme des Bluttests als Kassenleistung zu einem Anstieg ergänzender Pränataldiagnostik führt und dadurch zu mehr Abtreibungen von Kindern mit Down-Syndrom beiträgt.* 


Für uns ist es ungeheuerlich, dass ausgerechnet nach dieser Behinderung, mit der ein glückliches, gesundes und erfülltes Leben möglich ist, gezielt gesucht und dieses Leben dann aussortiert wird. 

Es stellt sich die Frage, welche Auswahlkriterien zukünftig über Leben und Tod eines Kindes entscheiden sollen und ab wann ein Leben als lebenswert gilt, denn das Genom eines Ungeborenen lässt sich anhand der kindlichen DNA-Fragmente im Blut der Mutter noch sehr viel detaillierter untersuchen, als es der Bluttest bisher ermöglicht.**

Ein Bericht des internationalen Ethikausschusses der UNESCO betont, “die potentiellen ethischen Nachteile der nicht-invasiven Pränataldiagnostik können zusammenfassend wie folgt beschrieben werden: Die Entscheidung, ein Kind mit Behinderung oder Krankheit nicht zur Welt zu bringen, wird zur Regel gemacht und institutionalisiert.” ***

Unsere Gesellschaft hat sich vor über 40 Jahren aus guten Gründen grundsätzlich für die Pränataldiagnostik entschieden. Es gab seitdem jedoch keine angemessene öffentliche oder politische Debatte über den Umgang damit.

Eltern werden im Rahmen der Diagnostik weder auf einen möglichen Entscheidungskonflikt vorbereitet, noch erhalten sie ausgewogene, zutreffende und neutrale Informationen, die sie in ihrer Entscheidung ethisch gut und hilfreich unterstützen.

Viele Eltern und werdende Eltern von Kindern mit Down-Syndrom werden durch Falschaussagen wie – “Ihr Kind wird nie lesen oder sprechen können” – oder Mitleid des ärztlichen Fachpersonals verunsichert. Genauso erschütternd ist die häufig gestellte Frage, ob man „das mit dem Down-Syndrom nicht vorher gewußt“ habe; dies impliziert die Abtreibung als eine übliche und normale Reaktion auf die Diagnose.

Auch wenn die Entwicklungsunterschiede von Kindern mit Down-Syndrom groß sein können: Wir bekommen heute erst eine leise Ahnung davon, wie ein Leben mit Trisomie 21 bei guter Förderung, mit der erst in den 1980er Jahren begonnen wurde, und Inklusion aussehen kann.

Ein prominentes Beispiel für ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben mit Down-Syndrom ist Natalie Dedreux, die der Bundeskanzlerin einen Einblick in ihr Leben vermittelte und deutlich mitteilte: „Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben“.” **

Unser Leben ist glücklich!

Auch wir Eltern von Kindern mit Trisomie 21 sind sehr betroffen über die vielen Abtreibungen.

Wir, unsere Kinder und unsere Familien sind glückliche Menschen! Wir führen ein Leben, das für uns vollkommen normal ist. Wir lernen Menschen kennen, die wir ohne unsere Kinder niemals kennengelernt hätten. Wir machen auf einmal Dinge, die wir uns vorher niemals zugetraut hätten. Wir schlagen vollkommen neue Lebenswege ein, lernen neue Fertigkeiten und setzen uns in großem Maße für Menschlichkeit ein. Unsere Kinder lassen uns die Welt mit vollkommen neuen Augen betrachten. Durch sie bekommen wir einen Blick dafür, was wirklich zählt.

Richard von Weizsäcker stellte bereits 1993 in einer Rede fest: “Maßstäbe für Behinderung sind zufällig und fragwürdig. Noch immer gehen sie von den Forderungen unserer sogenannten Leistungsgesellschaft aus. Vor allem von rationalen und motorischen Fähigkeiten, von der Leistungskraft im Produktionsprozess. Wäre soziales Verhalten der beispielgebende Maßstab, dann müssten wir den Menschen mit Down-Syndrom nacheifern.“


Unsere Forderungen
– der Bluttest auf Trisomie 21 darf nicht zur Kassenleistung werden. Kassenleistungen dienen der Heilbehandlung und der Vermeidung von Erkrankungen. Der Bluttest erfüllt diese Kriterien nicht.

– eine gute und objektive Beratung zur Pränataldiagnostik. Eltern, die sich für eine genauere Diagnostik entscheiden, müssen bereits im Vorfeld dazu aufgefordert werden, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie im Falle eines unerwünschten Ergebnisses damit umgehen würden. Sollte eine Diagnose vorliegen, muss diese neutral, korrekt und ausgewogen mitgeteilt werden, vor allem was das Leben mit dem Down-Syndrom betrifft.

– medizinisches Fachpersonal muss über ein aktuelles und informiertes Bild zum Thema Down-Syndrom verfügen (z.B. Gynäkologen, Pränataldiagnostiker, Kinderärzte, Hebammen).

– Informationsangebote müssen durch die Gynäkologen weitergegeben werden (z.B. zu Elterninitiativen, Websites, DS Infocenter usw.). Viele von uns sind bereit, sich mit werdenden Eltern zu treffen und Einblick in unser Leben zu geben.

– die Möglichkeit einer Freigabe zur Adoption muss mitgeteilt werden. Viele Eltern können sich vorstellen, ein Kind mit Trisomie 21 zu adoptieren.

– Die Regierung muss dafür sorgen, dass die Inklusion an Kindergärten, Schulen und auf dem Arbeitsmarkt weiter voranschreitet und gefördert wird. Aktuell befindet sich das Thema Inklusion in Deutschland mangels politischen Willens in einem Stillstand bzw. Rückschritt.

– eine politische Debatte über ethische, moralische und rechtliche Aspekte der Nutzung aller Möglichkeiten der Pränataldiagnostik, heute und mit zukünftigen Möglichkeiten. Und zwar unter Einbindung betroffener Menschen .

Quellen:

*Konkret würden mehr Kinder (mit Down-Syndrom) getötet, als durch eine verhinderte Fruchtwasseruntersuchung gerettet würden. Für England und Wales kann das bedeuten: 92 mehr Abtreibungen gegenüber 25 Fehlgeburten durch Fruchtwasseruntersuchung. Siehe auch http://legacy.screening.nhs.uk/policydb_download.php?doc=551Andere Studien beschreiben noch eine größere Schere: 180 mehr Kinder würden abgetrieben, gegenüber. 17 Fehlgeburten weniger. Siehe auch Bericht und Empfehlungen von Nuffield Council on Bioethics (englisch): http://nuffieldbioethics.org/project/non-invasive-prenatal-testing/findings
**Artikel über kindliche Genomanalyse durch Mutterblut: https://www.nature.com/articles/nature11251
*** Bericht des Internationalen Ethikausschusses der UNESCO: http://unesdoc.unesco.org/images/0023/002332/233258e.pdf
** https://www.lebenshilfe-sh.de/de/aktuelles/meldungen/2018-03-16-natalie-dedreux.php?listLink=1
*** http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1993/07/19930701_Rede.html

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